Spider Man: Far from Home (2019)

Ein Held geht auf Tour

Klassenfahrt. Wer hat daran nicht die ein oder andere anektdotenwürdige Erinnerung? Zum ersten, oder letzten Mal mit Freunden und Altersgenossen auf großer Fahrt, das ist der Stoff für Legendenbildung. Letzteres gilt auch für das Superheldendasein, weshalb die Kombination beider Erlebniswelten im neuen Spider Man-Abenteuer auch so eine schmissige Idee ist. Für die so launig begonnene Coming of Age Geschichte Peter Parkers bedeutet das ein wahres Kaleidoskop an Optionen, Abzweigungen und vor allem Konstellationen. Im spinnennetzartig entworfenen und angelegten MCU rückt dann auch der freundliche Krabbler aus der Nachbarschaft völlig folgerichtig immer mehr ins Zentrum des Geschehens. Der im großen Avengers Finale „Endgame“ so heroisch den Opfertod gestorbene Tony Stark hatte nicht umsonst stets ein ganz besonderes Interesse an Peter Parkers Heldengenese gezeigt und die behauptete Adoptivvaterrolle auch wirklich so gemeint.

So beginnt „Spider Man: Far from Home“ auch mit der Trauer um Iron Man. Auch an Peters Schule gibt es eigens erstellte Webcasts zum Gedenken an die Opfer der Rächertruppe. Mit Steve Rogers und Tony Stark sind die beiden Alphatiere verschwunden, eine Führungs-Lücke, die allseits Ratlosigkeit und Unsicherheit auslöst, insbesondere auch bei Peter. Da kommt die Europareise des Wissenschaftskurses gerade recht, denn dort kann er vermeintlich der tonnenschweren Verantwortung entfliehen. Womit wir natürlich auch wieder beim Leitmotiv der Peter Parker- bzw. Spider Man-Geschichte sind. Natürlich ist der Trip dann auch nur bedingt vergnüglich und bringt ihn direkt ins Zentrum des Sturms.

Der kommt diesmal in Form eines riesenhaften Elemente-Wandlers, also eines Monsters, das in der Gestalt von Wasser, Feuer, Erde und Luft auf Zerstörungsreise geht. In bester Katastrophenfilm-Manier nimmt er sich geradezu genüsslich bekannte Hotspots wie Venedig, Prag und London vor, die allesamt Stationen der besagten Klassenfahrt sind. Neben John Hughes stand also auch Roland Emmerich Pate und es ist mal wieder ungemein beindruckend wie leichtfüßig und beschwingt Marvel verschiedene Genre- und Popkultur-Einflüsse zu einem perfekten Unterhaltungspaket schnürt, bei dem man sich praktisch sofort wie in einem dieser Themenparks fühlt, aus denen man gar nicht mehr raus möchte.

Für die sich darin tummelnden Filmfiguren sieht das allerdings etwas anders aus. Während Peter hoffte endlich seiner großen Liebe MJ näher zu kommen und dazu schon große Pläne geschmiedet hatte, muss er sich fortwährend davon schleichen, um den Elemental zu bekämpfen. Avengers-Boss Nick Fury vermindert den Druck nicht gerade, als er Peter Tony Starks Brille mitsamt der künstlichen Intelligenz E.D.I.T.H. aushändigt, schließlich habe Tony sie ausdrücklich und ausschließlich für seinen Nachfolger vorgesehen gehabt. Immerhin hilft sie ihm nicht nur gegen seinen außerirdischen Feind, sondern auch bei ungleich irdischeren Problemen, wie den ebenfalls nicht so recht rund laufenden Liebesdingen.
Unterstützung bekommt er aber nicht nur von Nick Fury, sondern auch von dem geheimnisvollen Quentin Beck („Mysterio“), der aus einem anderen Dimension des Multiversums stammt und dort bereits mit dem aktuellen Gegner zu tun hatte. Tatsächlich gelingt es den beiden im Team die Bedrohung zu beseitigen und der erleichterte Peter gibt den zentnerschweren Staffelstab des Tony Stark-Erbes mitsamt E.D.I.T.H. an Beck weiter. Eine Entscheidung mit Folgen, wenn auch nicht den erhoffen …

Tom Hollands zweiter Solo-Auftritt als Spider-Man (nach „Homecoming“, 2017) lebt ganz besonders auch von Überraschungen wie diesen. Mehrfach schlägt der ungemein schmissig erzählte Plot pfiffige Haken, die mal kleine Schubser, mal richtige Kinnhaken sind. Das gilt nicht nur für das klassische Superhelden-Szenario vom Kampf gegen den Superschurken, sondern auch für den High School-Plot und diverse romantische Verwicklungen. Denn neben MJ und Peter, wandeln auch seine beiden Freunde Ned und Happy auf Freiersfüßen, was zu einer Vielzahl witziger Screwball-Momente führt.

Ein weiteres Zauberwort heißt schlicht „Tapetenwechsel“. In nun bereits 6 Abenteuern neueren Datums hat man Spider Man durch die Häuserschluchten Manhattans schwingen sehen und seinen Schulalltag an der Midtown Technical High geteilt. Nun verschießt er seine Netze an Rialto-, Karls- und Tower-Brücke. Da kommt richtiges Urlaubsfeeling auf, zumal die diversen Schauplätze nicht nur für großflächige Actionszenen „missbraucht“ werden.
Der durchgängig frische Wind ist schließlich auch ein verbaler. Hier werden in hoher Frequenz Frotzeleien, Oneliner und ironische Seitenhiebe abgefeuert, so dass es immer etwas zum Schmunzeln, Grinsen oder Lachen gibt. Insbesondere die vielen kleinen Schüler-Schüler und Schüler-Lehrer-Gespräche schlagen da zu Buche.

Wieder einmal kann man nur staunen über das traumwandlerisch sichere Austarieren von lustigen, traurigen, dramatischen und lockeren Tonlagen. Alles wirkt wie aus einem Guss und dockt passgenau an verschiedensten Punkten des MCU an. Nach dem Aussetzen der lieb gewonnenen Tradition in „Avengers: Endgame“ lohnt es sich auch wieder bis ganz zum Schluss sitzen zu bleiben. Beide Abspannszenen haben es diesmal ordentlich in sich und machen so richtig neugierig auf Kommendes. Welche Rolle Peter Parker dabei spielen wird, ist völlig offen und lässt enormen Spekulationsspielraum. Man kann nur anerkennend nicken, ob so viel Cleverness.

Am Ende der High School steht ja bekanntlich ein Ereignis, das in puncto Legenden die Klassenfahrt noch toppt. Genau, die Prom Night. Für den dritten Soloauftritt Tom Hollands als Peter Parker wäre das doch genau der richtige Abschluss, schließlich bleibt diese Nacht angeblich für die allermeisten unvergesslich. Eine solche Kategorie braucht es auch, um „Spider Man: Far from Home“ noch zu übertreffen. Aber Marvel ist auch das zu zutrauen. Nach „Homecoming“ und „Far from Home“ kann es dann nur noch heißen: „Homerun“.

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