Das Kinojahr 2017 war mal wieder super heroisch. Das konnte durchaus Spaß machen, mitunter aber auch etwas ermüden. Der Spinnen-Mann erlebte seinen dritten Frühling, der Krallenmann seinen kernigen Abgang, die Wunder-Frau sorgte für Hoffnung und der Hammer-Mann für die erfrischendste Retro-Sause des Jahres. Die hatte man eigentlich eher von den Galaxis-Wächtern erwartet, die aber verloren sich ein ums andere Mal in selbstreferentiellen Kalauern und plüschigen Kulissen. Die Gerechtigkeitsliga dagegen ging die Sache traditionell bierernst an und erlitt damit traditionell Schiffbruch.
Dass der Teamgedanke aber immer noch nicht vollends verbrannt ist, bewiesen mal wieder die schnellen und wilden Boliden-Machos um Alpha-Raser Dom. Das war hohl, laut und maßlos übertrieben, aber dafür mit Schmackes und Herz. Da freut man sich schon auf Runde 9. Auch die britischen Geheimdienstler im Nadelstreifenanzug können gern ein drittes Mal wieder kommen und sich mit ihren deutlich profaner ausgerichteten US-Kollegen kabbeln.
Überhaupt zeigte der arg gebeutelte Actionfilm ein paar ermutigende Lebenszeichen. Eine atomare Blondine im Kalten Krieg, ein Bleifuss-Baby mit Soul-Fetisch und ein Wiederholungskiller ganz in schwarz wirbelten ordentlich Staub auf und befreiten das einst so stolze Genre endlich ein wenig von der angesetzten Patina.
Angestaubt, redundant und um sich selbst kreisend ist auch schon seit geraumer Zeit das Horrorkino. In Zeiten, in denen Hausfrauen über die letzte „Walking Dead“-Folge schwatzen, ist nicht mal mehr eine glimmende Glut vorhanden. Da freut es umso mehr, dass endlich mal ein Stephen King-Stoff angemessen auf die Leinwand transferiert wurde (nein, der dunkle Turm ist hier ganz bestimmt nicht gemeint) und man das in immer noch mehr Blut und Tabubrüchen ertrinkende Gefilde mit einem schelmischen Rassismus-Stück neu belebte.
Und sonst? Shakespeare-Fanboy Kenneth Branagh und Gangster-Fanboy Guy Ritchie wagten sich jeweils an die Entstaubung heimischer Kult-Heroen (Herkules und Arthur) und blieben dabei erfeulich konsequent ihren unverwechselbaren Handschriften treu. Für die beiden aktuell angesagtesten US-Mimen gilt Ähnliches, allerdings minus den Zusatz „erfreulich“. Jennifer Lawrence und Chris Pratt scheinen omnipräsent und nerven dementsprechend. Konsequenterweise haben sie sich zusammen getan um als gestrandete All-Passagiere das Publikum mit ihrer totalen Präsenz zu beglücken. Wenigstens gabs bei der lauwarmen Liebelei tolle Tricks zu bewundern. Ähnlich arbeitswütig – diesmal hinter der Kamera – ist nur noch Ridley Scott, der es nun endgültig zur Chefsache erklärt hat, die Alien-Saga ins Reich der Filmmythen zu führen. Ein wenig verhedderte er sich dabei in der Serienlogik und den schöpferischen Ideen, aber einem gestandenen Profi schaut man halt immer noch gerne zu.
Ein solcher ist auch Chris Nolan, allseits – heißt von Publikum und Kritikern – geliebtes Wunderkind mit Hang zum Bombast und zur Technokratie. Gerne und häufig vergisst er aber leider trotz aller Überwältigungsexpertise das Gefühl. Sein ambitionierter Kriegsfilm über ein nationales Hoffnungstrauma der Briten liefert dafür erneut den Beweis. Dem Wesen des Krieges und der Tragweite des Ereignisses bleibt er so fern, wie sämtliche seiner Figuren dem Zuschauer.
Auf einen emotionalen Kriegsfilm musste man dennoch nicht verzichten, immerhin ist Mel Gibson wieder salonfähig geworden. Natürlich sind weihnachtliche Familientreffen ein Minenfeld und natürlich hat Bad Mel als Rüpelvater den schnell kapitulierenden eigentlichen Stars Mark Wahlberg und Will Ferrell genüsslich gezeigt, wo der Hammer hängt. Das Gegenstück zu Nolans blutleerem Kunstprojekt war aber von ganz anderem Schrot und Korn. Genau, es geht um die blutige Besteigung des Metallsäge-Hügels auf Okinawa, bei der er durch einen jeglichen Waffengebrauch negierender Sanitäter das Grauen hautnah erlebbar machte.
Wer jetzt resigniert resümiert, ambitioniertes Blockbusterkino widerspreche sich selbst, der hat Wunderkind Nr. 2 vergessen. Der Kanadier Denis Villeneuve ist ein mindestens ebenso kluger Kopf wie Nolan, der aber sein Publikum geistig und visuell mehr fordert. Seine Blade-Runner-Fortsetzung setzt auf totale Entschleunigung und ist dennoch durchgängig fesselnd. Mindestens optisch der schönste Film des Jahres. Den Titel muss er sich allerdings mit Damien Chazelles bittersüßer, mitreißender Musical- und Jazz-Hommage teilen. Ryan Gosling wirds egal sein, er sah in beiden Filmen umwerfend aus.
Auf der Sonnenseite der Zuschauergunst stehen auch seit jeher die Lichtschwert schwingenden Sternenkrieger. Der erfolgreichste Film des Jahres kommt mal wieder aus einer weit, weit entfernten Galaxis. Nicht schlecht für ein achtes Kapitel. Seit der Mäusekonzern den ollen George ausbezahlt hat, läuft die Maschine so richtig auf Hochtouren. Aber siehe da, selbst im Angesicht des ultimativen Mainstreams gibt es so etwas wie Mut. Indie-Regisseur Rian Johnson trifft ein paar unerwartete Entscheidungen, bringt damit prompt eine kleine aber lautsarke Horde von Internet-Trolls gegen sich auf und liefert dennoch das befriedigendste Saga-Erlebnis seit 1980. Das Imperium hat zugeschlagen und ein paar Komfortmauern eingerissen. Das Kino also noch lebt. Den Helden sei dank, nicht nur, aber besonders den alten.
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Wer mal was davon im Heimkino nachholen will, in der Reihenfolge ihrer Erwähnung. Lohnendes in Farbe (stark, gut, nett, ok).
„Spider-Man: Homecoming“, „Logan“, „Wonder Woman“, „Thor: Ragnarok“, „Guardians of the Galaxy Vol. 2“, „Justice League“, „Fast & Furious 8“, „Kingsman: The golden Circle“, „Atomic Blonde“, „Baby Driver“, „John Wick: Kapitel 2“, „Es“, „Get Out“, „Mord im Orient-Express“, „King Arthur – Legend of the Sword“, „Passengers“, „Alien: Covenant“, „Dunkirk“, „Daddy´s Home 2“, „Hacksaw Ridge“, „Blade Runner 2049“, „La La Land“, „Star Wars: Die letzten Jedi“;