Die Breakfast Clubber – oder mit den Transformers im DeLorean
Ja, die guten alten 80er. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet dieses so oft gebashte Jahrzehnt in der Popkultur den längsten Atem hat und den größten Niederschlag findet? Vielleicht war es doch irgendwie „geil“? Pop-Hymnen wie am Fließband gab es jedenfalls danach nicht mehr, der Walkman war irgendwie auch cooler als der MP3-Player und das Smartphone, zumal beides sofort in die Erwachsenenwelt Einzug hielt. Wie soll man sich da noch abgrenzen? Das waren noch Zeiten, als die lieben Eltern die bösen Buben Arnold und Sly so richtig doof fanden und Michael J. Fox für ne Modemarke hielten. Heute begleiten sie den Nachwuchs fröhlich zu Marvel und nach Panem. Und ganz sicher wären sie nie auf die Idee gekommen mit Star Wars-Figuren zu spielen, oder noch schlimmer, den Transformers. In den seligen 80ern konnte man als Teenager jedenfalls noch Rebell und Außenseiter sein und die ach so grausigen Modesünden gab es eigentlich nur bei den Popstars.
Dass der wohlige Retro-Charme aber gar nicht so leicht zu recyceln ist, müssen wir regelmäßig auf Leinwand und Bildschirm erfahren. Auch wenn wir unseren alten Helden und neuen Geeks unendlich dankbar sind, aber weder die Entbehrlichen noch die Atom-Blondine haben den DeLorean unfallfrei nach 1985 verfrachtet. Beim „Summer of 84″ wirkte alles auch mehr abgepaust denn zurück gesaust. Spätestens seit der Erkenntnis, dass selbst Dekaden-Guru Steven Spielberg trotz Vorlagen-Sperrfeuer sich nur in Zitaten verliert, ist wohl dem letzten Hoffnungsfrohen klar: ein Wiedereintauchen in die schöne bunte Welt von Miami Vice, Duran Duran und Zauberwürfel ist kein Kinderspiel.
Aber mit Kinderspielzeug könnte es klappen, man muss es nur wirklich wollen. Nicht dass noch irgend jemand damit gerechnet hatte. Zerstörungswüterich Michael Bay hatte da ganze Arbeit geleistet. In einer Pentalogie des Schreckens hat er die lustigen Verwandlunsgroboter zu außerirdischen Krawall-Tölpeln von kosmischen Ausmaßen aufgepimpt und jeglichen Anflug von Retro-Feeling in einem Orkan aus Computereffeken, Stakatto-Schnitten und hohlem Pathos-Gesülze atomisiert. Da musste man vor dem Reboot „Bumblebee“ regelrecht zittern, ob des unvermeidlichen Schwanengebrülls.
Bei so viel befürchteter Banalität tut es auch mal eine ebensolche Weisheit: Manchmal kommt es anders und öfters als man denkt. Der neu besetzte Regiestuhl dürfte dabei ordentlich geholfen haben. Trickexperte Travis Knight (Jahrgang 73) hat dem abgelösten Bay Michael (Jahrgang 65) nicht nur die prägenden Teenagerjahre im Dekadenpeak (1984-1989) voraus, sondern auch die Fähigkeit Krawumm und Emotion zu fusionieren. Zu Beginn denkt man noch auweia, als man mitten in eine krawallige Schlacht zwischen Autobots (gute Transformers) und Decepticons (böse Transformers) geworfen wird, die sich um nichts weniger als den Transformers-Heimatplaneten Cybertron dreht. Doch mit der Ankunft des flüchtigen Autobotssoldaten B-127 auf unserem schönen Heimatplaneten findet auch eine Erdung des Spektakels statt.
So versteckt sich der Verfolgte auf einem Schrottplatz einer kalifornischen Kleinstadt. Dort wird der als rostiger VW-Käfer Getarnte von der gerade 18 gewordenen Charlie Watson (Hailee Steinfeld) entdeckt. Die rebellische Hobby-Mechanikerin wünscht sich nichts sehnlicher als ein Auto und einen Freund. Mit dem knallgelben Autobot hat sie einen Volltreffer gelandet, denn er kann ihr beides bieten. Nach dem ersten Schock über die Verwandlungskünste ihres neuen Fahrzeugs entwickelt sich eine innige Freundschaft, die allerdings sehr bald auf einige harte Proben gestellt wird. Ihre wenig begeisterte Familie und ihr eingeschüchterter Schwarm sind da noch das geringste Problem, denn „Bumblebee“ (inzwischen von Charlie so getauft) war nicht nur bei seiner Ankunft auf das US-Militär um den hartnäckigen Ledernacken Agent Burns (John Cena) gestoßen, das ihn fortan ausfindig machen und erforschen will. Auch die feindlichen Decepticons haben Kurs auf die Erde genommen, schließlich kennt B-127 den Aufenthaltsort des Autobot-Anführers Optimus Prime …
Natürlich hat „Bumblebee“ auch noch nach dem lauten Auftakt ein paar krachige Action-Einlagen auf Lager. Aber anders als bei Bay geht es hier erkennbar reduzierter und vor allem übersichtlicher zu. Ob es am gestutzten Budget oder aber an Knights Gespür für optisch und mental verarbeitbare Effekte liegt, das Erholungsangebot wird dankbar angenommen. Die beste Action-Szene ist dann folgerichtig auch keine Kampfhandlung, sondern Bumblebees Versuch, sich im für kurze Zeit leer stehenden Haus der Familie Watson einen gemütlichen Nachmittag zu machen – mit den erwartbaren Verwüstungsfolgen. Hier hat einer ganz viel Ahnung von komischem Timing und im Dienst der Handlung stehenden Effekten.
Die größte Stärke des Films, also die Schmiere die alles zusammen hält, ist allerdings die rührend aber nie rührselig erzählte Geschichte von Freundschaft und Außenseitertum, gespickt mit Anspielungen und getragen von einer voll ins Schwarze treffenden 80er-Atmosphäre. Hier dient die Playlist aus Pophits (a-has „Take on me“, Duran Durans „Save a Prayer“, Bon Jovis „Runaway“ oder Tears for Fears „Everybody wants to rule the World“ um nur die knalligsten zu nennen) nicht einfach zur Zeitgeist-Kolorierung, hier werden Stimmungen und Handlungselemente perfekt orchestriert. Hier werden Hinweise auf das Handlungsjahrzehnt nicht plakativ ins Bild geworfen, sondern ganz nebenbei wie selbstverständlich platziert (u.a. Bandshirts, Walkman, Radiowecker, Vinyl-Sammlung, Röhren-TV, Filmposter).
Knights ungemein treffsicheres Gespür für Lebensgefühl und Zeitgeist aus Teenagersicht, zeigt sich in zwei kurzen Sequenzen mit Bumblebee, der sich damit nicht nur als Seelenverwandter Charlies, sondern einer ganzen Generation von sich unverstanden fühlenden Teenagern der 80er entpuppt. In einer spuckt er das Tape mit Rick Astleys Plastik-Superhit „Never gonna give you up“ aus und in zwei weiteren huldigt er dem absoluten Kultfilm der immer leicht abseits Stehenden: „The Breakfast Club“. Allein dafür sollte es schon stehende Ovationen geben. Wenn Bumblebee dann am Ende den militärischen Gruß Burns mit John Benders in die Höhe gereckter Faust erwidert und damit das ikonische Schlussbild des „Breakfast Club“ imitiert, ist dem Zeitzeugen die Gänsehaut sicher. Und wer hier immer noch nicht schwach wurde, dem knallt Knight den Titelsong der Simple Minds als wie die Faust aufs Auge passenden Wehmut-Ausklang noch obendrauf: „Don´t you … forget about me!“ Erst wenn das Licht wieder angeht, steigt man aus der urgemütlichen, schnurrenden Zeitmaschine aus und wird sich erstaunt gewahr, eigentlich einen Transformers-Film gesehen zu haben. Und zwar einen richtig guten.
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(Rating: 8 / 10)
Gesehen im CineStar Augsburg, Jan, 6 2019
(Copyright aller Filmbilder: ©Walt Disney Company 2018)