Das Kinojahr ist noch jung und schon erwartet uns der erste Superheld aus dem Hause Marvel. An sich keine spektakuläre Neuigkeit, man hat sich schlicht daran gewöhnt. Was nicht negativ gemeint sein soll. Ist fast schon wie ein regelmäßigen Treffen mit alten Freunden. Man kennt sich, man weiß wie der andere tickt und dennoch ist es immer wieder ein netter Nachmittag oder Abend. Diesmal allerdings hat sich ein Überraschungsgast angekündigt, der ein wenig frischen Wind in der gemütlichen Runde verspricht. Einer mit Zähnen und Krallen. Mal sehen, ob er auch hält, was er verspricht.
Auf leisen Pfoten über den Trampelpfad – Afrofuturismus mit Krallen!
Nein, überraschend ist das uniforme Lobesarien-Frenetico des Cine-Feuilletons wahrlich nicht. Der erste schwarze Superheld turnt über die Leinwände, verhandelt werden aktuelle und immer währende Brennpunktthemen wie Rassismus, (Post-)Kolonialismus, Ausbeutung, Flüchtlingsnot und globaler Kapitalismus und feilgeboten wird diese abenteuerliche Big-Budget-Meta-Sauße von „Everycritic´s Darling“ Marvel. Das ist ein PC-Brett aus feinstem Ebenholz. Da verbietet sich jedwede Kritik. Oder etwa nicht?
Tatsächlich ist der „Black Panther“ keinesfalls der erste schwarze Comic-Held, der es zu von der breiteren Öffentlichkeit registrierten Kinoehren gebracht hat. Der gnadenlose Vampirjäger „Blade“ räumte vor ziemlich genau 20 Jahren unter den fiesen Blutsaugern mächtig auf. Übrigens auch er ein Marvel-Gewächs. Und Filme, die sich der speziellen Problematik des afrikanischen Kontinents sowohl in ihrer historischen wie auch in ihrer gegenwärtigen Ausformung widmen, sind wahrlich keine Seltenheit. Von allgemein politisch konnotierten Meta-Ebenen mal ganz zu schweigen. Das gehört praktisch zum Grundinventar eines jeden Marvel-Abenteuers.
Nun soll all dies natürlich nicht heißen, dass uns hier der erste misslungene Superheldenfilm aus dem erfolgverwöhnten Mäusekonzern ins Haus steht. Im Gegenteil. Auch „Black Panther“ ist ein mit optischen Schauwerten, rasanten Actionszenen, pfiffigen Ideen und illustren Figuren prall gefülltes Entertainment-Paket. Er ist aber eben auch ein durch und durch typischer Comic-Blockbuster und von denen gab es seit der Jahrtausendwende eine recht erkleckliche Menge.
Die sicherlich nicht unberechtigte und auch verständliche Euphorie über einen vor (fast der gesamte Cast) und hinter (u.a. Regisseur Ryan Coogler) der Kamera hauptsächlich von Schwarzen gedrehten Mainstream-Film mit klarer Ausrichtung auf den Weltmarkt, birgt die Gefahr, über womögliche Schwächen hinsichtlich zahlreicher repetitiver Elemente wohlwollend hinweg zu sehen. Ein Phänomen, das vor wenigen Monaten bei „Wonder Woman“ (von Konkurent DC) bereits recht deutlich zu beobachten war.
Dort war es die erste weibliche Superheldin (auch das gab es allerdings schon früher) – auch noch gespielt von der in wirklich jeder Hinsicht umwerfenden Gal Gadot -, dirigiert von einer Regisseurin (ebenfalls keine Mainstream-Premiere), die die fast schon obligatorischen DC-Schmähungen der Kritiker ins Gegenteil verkehrte. Die typischen Mankos einer kaum variierten Origin-Dramaturgie, eines wenig Akzente setzenden Widersachers und vor allem eines sterilen Cartoon-Finales aus dem Hochleistunsgrechner wurden dabei trotzig ignoriert.
Marvels schwarze Raubkatze zeigt hier glücklicherwiese etwas schärfere Krallen. Unser Held T´Challa durfte ja bereits im dritten Captain America-Abenteuer („The First Avenger: Civil War“) zeigen, zu welchen Actiongroßtaten er im schwarzen Hightech-Pantherkostüm so alles im Stande ist. Auch seine Stellung als erster Thronfolger des fiktiven afrikanischen Zwergenstaaates „Wakanda“ ist seitdem jedem MCU-Jünger bekannt. Also kommt der Film recht schnell zur Sache und berauscht den Zuschauer mit einem beherzten Dreisatz aus Kampf-Action (T´Challa muss vor der Krönung jedweden Herausforder im Zweikampf besiegen und in Südkorea auf Gangsterhatz gehen), Fantasy-Schauwerten (wir lernen die knallbunte, mit allerlei technischen und archetektonischen Gimmicks ausgestattete Welt Wakandas kennen) und Existenz-Bedrohung (ein verstoßener Sohn will T´Challa stürzen, die Macht an sich reißen und die Welt ins Chaos stürzen).
All das funktioniert dank der perfekten Teamwork von Regisseur und Hauptdarsteller. Chadwick Boseman erinnert in vielem an Chris Hemsworths Thor-Darbeitung. Er bringt die nötige Mischung aus Ernsthaftigkeit und ironischer Distanz mit, um den König eines bonbonbunten Fantasie-Reiches, der nächtesn im schwarzen Pantherkostüm die bösen Buben jagd, nicht lächerlich wirken zu lassen. Dazu packt er eine ordentliche Portion Charme, Witz und Charisma, so dass man ihn gerne auf seinen nicht gerade alltäglichen Trips begleitet. Ryan Coogler serviert die ganze Chose in einem durchgängig lockeren Ton, der aber nie in Blödelei ausartet. Die wakandanische Hochzivilisation arrangiert er als fetzige Mischung aus afrikanischer Folklore und James Bond-ähnlichen Hightech-Interieurs und -Utensilien. T´Challas Schwester Shuri (Letitia Wright) inszeniert er gar als Rotzgören-Pendant zu Q.
Überhaupt stellt er T´Challa eine ganze Reihe starker Frauen (und Darstellerinen) an die Seite. Neben Shuri wären da noch Okoya (Danai Gurira) – die ebenso kampftüchtige wie loyale Anführerin seiner Leibgarde -, Nakia (Lupita Nyong’o), Wakandas gerissenste und furchtloseste Geheimagentin und schließlich Ramonda (Angela Bassett), stolze Königinmutter und weise Ratgeberin.
Man fühlt sich also durchweg wohl mit Heroen-Personal und Setting, was auch dringend nötig ist, denn der eigentliche Plot ist mal wieder arg formelhaft und dementsprechend unaufregend. Wieder geht es um eine fiktive Energiequelle, welcher die bösen Jungs (und ein Mädchen) habhaft zu werden versuchen. Das auschließlich in Wakanda geförderte Vibranium ist das härteste Metall der Erde und kann zusätzlich jede Form von Energie absorbieren. Wieder geht es dabei um Weltherrschaft und wieder sind unseres Helden ärgste Feinde nicht sonderlich furchteinflößend. Motion-Capture-Star Andy Serkis schlittert als brutaler Waffenschieber-Rüpel Ulysses Klaue hart am Knallchargen-Rand entlang und Michael B. Jordan („Creed“) wirkt als betrogener Wakanda-Royal N´Jabaka mehr wie ein aufbrausender Hitzkopf mit Bizeps, denn ein dämonischer Widersacher mit Hirn.
Der Film selbst läuft schnurstracks auf die finale Konfrontation zu, ohne dass auf dem Weg dorthin allzu viel Spannendes oder tief Schürfendes passieren würde. Langweilig wird es aber auch nur ganz selten, denn es gibt eigentlich immer etwas zu staunen, zu lachen oder zu dekodieren. Die erwähnten gesellschaftspolitischen Anspielungen sind geschickt mit der Filmhandlung verwoben und wirken nie aufdringlich oder belehrend. Die Streitfrage zwischen Abschottung und dem Öffnen der Tore ist von hochbrisanter Aktualität, wird von Held T´Challa alias Black Panther aber auch am Ende durchaus noch differenziert gesehen.
Bei aller Begeisterung über den ersten waschechten „Afrofuturismus-Blockbuster“, das hervorragende Setdesign und die so sympathischen wie mit Verve gespielten Figuren sollte nicht vergessen werden, dass „Black Panther“ dennoch in vielerlei Hinsicht ein durch und durch typischer Ableger der Marvelschen-Heldenschmiede ist. Für die einen mag dies ein zusätzliches Gütesiegel sein, für die anderen dagegen ein Ausruck von Formelhaftigkeit und Redundanz. Beim neutralen Filmfan dürfte die zweite Lesart die Urteilsfindung zumindest beeinflussen, allen ehrenhaften und klugen Anstrengungen zum Trotz. Auf den Punkt: „Black Panther“ ist ein stromlinienförmiger Superheldenfilm in todschicker Verpackung mit politischem Schleifchen. Elegant, leichtfüßig und nur so zupackend, wie er sein muss. Die (mögliche) Kritik und deren Vertreter jedenfalls hat er äußerst geschickt erlegt. Gut gebrüllt, Panther!
(Rating: 7 / 10)
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(Bildmaterial: ©Marvel Studios 2018)