Da sage mal einer der Actionfilm ist out. Selten gab es ein solch reichhaltiges Angebot an typischen Männerfilmen wie im vergangenen Kinojahr. Von der prolligen Cop vs Gangster-Sause („Criminal Squad“), über bleihaltige Feldzüge gegen Drogenkartelle („Sicario 2“) oder politische Schurkereien („Mile 22“, „Hunter Killer“), bis hin zu männlichen („Equalizer 2“, „Death Wish“) wie weiblichen („Peppermint“) Vigilantentrips mit Engültigkeitsanspruch war wirklich für jeden Explosiv-Junkie etwas dabei. Als Krönung der Achterbahnsaison durfte man schließlich Altmeister Ethan Hunt auf seiner nunmehr sechsten unmöglichen Mission begleiten und zweieinhalb Stunden pures Adrenalin konsumieren.
Da konnte man sich beim obligatorisch reichhaltigen Superhelden-Angebot schon deutlich entspannter in die Vip-Sitze fletzen. Zwar mangelte es auch dort nicht an turbulenten Handlungen durch Bewegung, aber angesichts unverwundbarer Heroen, digitaler Gegnerscharen und physikalischer Grenzüberschreitungen aller Art, konnte man sich einer gewissen Teilnahmslosigkeit kaum erwehren. Die Filme kompensierten diese Schwachstellen mit knallbunten Bilderstürmen („Black Panther“, „Aquaman“) und teils derben („Deadpool 2“), teils infantilen („Aquaman“) Humorattacken. Ausgerechnet das mit Jumspsuit-Personal vollgestopfte Rächer-Epos „Avengers: Infinity War“ zog sich hier noch am achtbarsten aus der Affäre und lieferte das stimmigste Konzentrat.
Konzentrierte Arbeiten gab es auch im ebenfalls seit Jahren tot gesagten Erwachsenenfilm zu bewundern. Vor allem die sich Gegenwart („Wind River“) und Vergangenheit („Feinde – Hostiles“) der amerikanischen Ureinwohner widmenden Thriller-Dramen boten messerscharfe Charakterstudien, grandioses Schauspiel (Jeremy Renner und Christian Bale) und dichteste Atmosphärik.
Darüber hinaus zeigte eine Reihe versierter Filmemacher in durchaus überraschenden Outings ihr Ausnahmekönnen. So kleidete Steve McQueen seine gewohnt scharfsichtige wie -züngige Gesellschaftskritik ins Gewand eines formidablen Heist-Thrillers („Widows“). Musikfilm-Virtuose Damien Chazelle lieferte ein kluges wie packendes Portrait Neil Armstrongs und der amerikanischen Raumfahrtgeschichte („Aufbruch zum Mond“), und ersetzte das befürchtete Pathos durch Intimität und technische Expertise. Schließlich sorgte der hierzulande durch seine Brachial-Komik zum Publikumsliebling avancietre Bully Herbig mit dem fulminanten DDR-Fluchtdrama „Ballon“ einfach mal so für den spannendsten Film des Jahres und bewies damit ganz nebenbei, dass teutonisches Kino viel mehr sein kann als dröger Psycho-Schwermut und tiefergelegte Geschlechter-Komödien.
Kino sollte eigentlich auch mehr sein als eine inspirationslose Recyclingmaschine. Aber vermeintlich risikoarme Investitionen waren in Hollywood schon immer gern gesehen. Der anspruchsvollere Kinogänger ist da weit weniger euphorisch. Vor allem der ungebrochen populäre Reboot-Wahn produziert selten Befriedigendes. Im abgelaufenen Kinojahr wurde das mal wieder allzu deutlich. Diesmal hatte es drei absolute Genreklassiker erwischt, die man meinte einfach nur im modernen Setting neu auflegen zu müssen. Bei John Carpenters Horror-Meilenstein „Halloween“ hat das noch ganz gut geklappt, wenn auch der Innovationsgedanke sehr klein geschrieben wurde. Den reichlich überschätzten Splatter-Freak Eli Roth auf „Death Wish“ los zu lassen, war da schon eine deutlich schlechtere Idee. Da konnte auch Bruce Willis als Bronson-Ersatz nicht mehr viel retten, zumal er seit Jahren an chronischer Lustlosigkeit leidet. Und Predator? Anfangs war die Freude noch groß, dass Buddy- und Action-Experte Shane Black dass Ruder übernehmen sollte, immerhin haben wir dem Mann die Scripts zu „Lethal Weapon“ und „Last Boyscout“ zu verdanken. Dann allerdings wollte er seinen frotzeligen Screwball-Stil mit derber Brutalität paaren und mit einem Haufen uncharismatischer TV- und Ersatzbankstars Arnold Schwarzenegger ersetzen („Predator: Upgrade“). Und wir wissen ja alle: Es kann nur einen geben!
Seine beste Zeit hinter sich hat offenbar auch Steven Spielberg. Weder sein arg betulicher und viel zu braver Pressethriller („Die Verlegerin“) – noch dazu mit dem ebenfalls erkennbar über dem Zenit-Altstars Streep und Hanks -, noch der Versuch die alte 80er Kinomagie wieder zu beleben („Ready Player One“) hinterließen einen sonderlich nachhaltigen Eindruck (letzterer immerhin mit Grower-Qualitäten).
Dasselbe gilt für die im Windschatten der Superheldenmasche mitsegelnden Fantasy-Spektakel mit dem heute so hippen und entsprechend bräsigen, weil häufg aufgesetzt daher kommenden Trash-Charme. „Tomb Raider“ (eigentlich auch ein Reboot) und „Rampage“ funktionierten da noch recht ordentlich als substanzlose Popcorn-Unterhaltung für zwischendurch. Die zwar sehr hübsche aber eben auch ziemlich blasse Alicia Vikander wurde immerhin von einer Indiana Jones-Light-Inszenierung aufgefangen und Dwayne „The Rock“ Johnson ist einfach ein solcher Charisma-Bolzen, dass man ihm jeden Schwachsinn abnimmt. Immerhin hatte seine Monsterkloppe deutlich mehr Schwung als der seltsam erfolgreiche Pennäler-Quatsch „Jumanji“ aus dem Vorjahr. Der ganz ähnlich angelegte „Meg“ dagegen nährte den dringenden Wunsch Jason Statham endlich mal wieder in bodenständiger und kerniger Action sehen zu dürfen. Chris Pratt dagegen würde man am liebsten für eine Weile gar nicht mehr sehen, denn seine Harrison Ford-Copy and Paste-Masche ist inzwischen so was von durch. Leider war der reichlich missglückte „Jurassic World 2“ erfolgreich genug, um diesen frommen Wunsch in ganz weite Ferne zu rücken.
Apropos Ferne. In der weit enfernten Galaxis ist auch irgendwie der Wurm drin. Nach dem seltsamen Fan-Bashing von „Episode VII“ musste offenbar der nächste Star Wars-Film abgestraft werden. Disney machte auch noch den Gier-Fehler vom etablierten Weihnachtstermin weg zu gehen und „Solo: A Star Wars Story“ um satte 7 Monate vorzuziehen. Da der neuen Box Office Cahscow China Star Wars offenbar nicht trashig genug ist, kam nicht mal von dort der obligatorische Batzen. Schade um das schmissige Abenteuer, denn von dem verjüngten Buddy-Dreamteam Alden Ehrenreich (Han) und Donald Glover (Lando) hätten wir gerne noch mehr gesehen. A new hope grassiert immerhin seit dem Heimkinostart, bei dem der Schmuggler ganz seinem Naturell entsprechend das Gaspedal ordentlich durchdrückte.
Zu wünschen wäre eine solch zweite Chance unbedingt auch „Bad Times at the El Royale“. Das Noir Vexierpspiel hat weit mehr zu bieten als Tarantino-Fanservice und ist ganz nebenbei einer der ungewöhnlichsten und besten Filme des Jahres. Streitig macht ihm den Platz an der Sonne höchstens noch einer, der stets auf der Überholspur zu Hause war: Freddie „Fucking“ Mercury.
Dem Naserümpfen vieler Kritiker zum Trotz, die offenbar auf eine schonungslose Demontage des exaltierten Rockstars gehofft hatten, eroberte die Queen-Festivität „Bohemian Rhapsody“ die Herzen der Zuschauer weltweit im Sturm – und das völlig zu Recht. Klassische Biopic-Dramaturgie hin oder her, wer bei Rami Maleks eindringlicher Darstellung und vor allem den perfekt integrierten Musikeinlagen unberührt bleibt, dem ist nicht mehr zu helfen. Spätestens wenn beim minutiös nachgestellten, legendären Live Aid-Auftrit „Radio Ga Ga“ und „We are the Champions“ aus den Dolby-Atmos-Boxen dröhnen, ist die Illusion perfekt, wird der Kinosaal zum mitreißenden Rockkonzert, Gänsehaut garantiert. Bei einer solchen Wirkungsmacht muss einem um die Zukunft des Kinos nicht bange sein. The show will gon on!
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Und wer es gern komprimierter hat: Best of 2018
- Bohemian Rhapsody (volle Dröhnung für alle Sinne)
- Wind River (Charakterthriller der Extraklasse)
- Ballon (Spannung pur trotz bekanntem Ausgang)
- Bad Times at the El Royale (finsteres Überraschungsei)
- Mission Impossible: Fallout (Adrenalin pur trotz sechster Mission)
- Widows (meisterlicher Genremix)
- Solo: A Star Wars Story (viel besser als sein Ruf)
- Aufbruch zum Mond (kluge und intime Zeitreise)
- Mile 22 (Volldampfdestillat)
- Avengers: Infinity War (Popcorn-Perle)
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Und wem das noch zu wenig ist, ein kleines, durchaus lohnendes 8/10-Quartett als Schmackes-Nachklapp mit Star-Präsenz:
11. Red Sparrow (harter, zu Unrecht geschmähter Agententhriller der alten Schule, bei dem Teenie-Ikone Jennifer Lawrence voll überzeugt), 12. Hunter Killer (hier sind zumindest nicht alle Russen böse, aber Gerard Butler natürlich gut) 13. Feinde – Hostiles (hartes Indianerdrama mit einem famosen Christian Bale) 14. Sicario 2 (nicht so intellektuell wie das Original, aber enorm druckvoll und mit Benicio Del Toro und James Brolin stark besetzt)