Es geschah am 20. Juli (1955)

„Widerstand im Widerstreit“

Anders als heute war der Widerstand gegen das NS-Regime unter der bundesdeutschen Bevölkerung der 1950er Jahre durchaus umstritten. Dies zeigt vor allem die Kontroverse um den militärischen Widerstand gegen Hitler. Zwar distanzierte sich die Wehrreform der Regierung Adenauer klar vom nationalsozialistischen Unrechtssystem und der Verstrickung der Wehrmachtsführung in dasselbe, andererseits lehnten noch 1951 60% der ehemaligen Berufssoldaten den Widerstand gegen das NS-Regime ab. Besonders im Kreuzfeuer der Kritik stand der Umsturzversuch vom 20. Juli 1944. So herrschte bei der überwiegenden Zahl der ehemaligen Soldaten die Auffassung vor, dass der Eid die höchste Maxime soldatischen Verhaltens sei und folgerichtig zu Gehorsam gegenüber jedweder politischen Führung zwinge. Erst ab Mitte der 60er Jahre ist bei den Bundeswehrsoldaten ein weitestgehender Konsens über die positive Bewertung und Würdigung der Männer des 20. Juli festzustellen.

Vor diesem Hintergrund erscheint es kaum verwunderlich, dass in der höchst erfolgreichen bundesdeutschen Kriegsfilmwelle das Thema Widerstand entweder gänzlich ausgespart (08/15, Der Stern von Afrika) oder in verklärender Form (Canaris, Des Teufels General) präsentiert wurde. Lediglich zwei Produktionen gingen das Risiko ein, den militärischen Widerstand direkt zu thematisieren und sollten damit auch prompt (finanziellen) Schiffbruch erleiden: Falk Harnacks Der 20. Juli sowie G.W. Papsts Es geschah am 20. Juli. In beiden Fällen ist die zentrale Thematik das von der militärischen Opposition um Oberst Graf v. Stauffenberg und Generaloberst a.D. Beck geplante Attentat auf Hitler sowie der darauffolgende Staatsstreichversuch vom 20. Juli 1944.

Es geschah am 20. Juli
beginnt mit einer Besprechung der Verschwörergruppe. Schon hier wird deutlich, wie der Film das Minenfeld Gewissen und Moral gegenüber Eid und Gehorsamspflicht sowie die Kontroverse um Hochverrat bzw. Landesverrat zu umgehen gedachte. Wie bei Canaris oder Des Teufels General muss die drohende Niederlage der Wehrmacht („militärische (…) Rückschläge sind (…) in (…) krasser Form eingetreten und täglich kommen neue“) und damit die drohende Zerstörung Deutschlands als Hauptargument für die Notwendigkeit von Widerstand herhalten. Der Krieg ist verloren und muss so schnell wie möglich beendet werden, „sonst wird das deutsche Volk den Becher bis zur Neige ausleeren müssen“. Nationalsoziaistischen Kriegsziele und Kriegszwecke werden (entgegen den historischen Fakten) nicht verurteilt.
Die Entscheidung zum Attentat, so Beck. Ist der Sieg des Gewissens über falsche Treue- und Gehorsamspflicht: „Ich denke an eine Zeit, wo der Soldat nicht nur dem befehl, sondern zuerst seinem Gewissen folgte.“ Hinsichtlich dieser Gewissensentscheidung sucht man dann allerdings im Verlauf des Films vergeblich nach moralischen Motiven. Dies verdeutlicht insbesondere der Umgang mit der brisanten Thematik um Fahneneid und Treueschwur, also der zentralen Frage wem gegenüber der Eid zu halten ist – den verbrecherischen Machthabern oder einem betrogenen Deutschland. Folglich wird der Hochverratsproblematik auch nicht ausgewichen, der potentielle Vorwurf des Zuschauers wird vielmehr offensiv zurückgewiesen. So erwidert Stauffenberg auf den Vorwurf eine Offiziers, das geplante Attentat sei Hochverrat:
„Ist es Hochverrat an ein besseres Deutschland zu glauben? Wollen Sie weiter zusehen, wie alles zugrunde geht? Billige Sie, das unsere Ehre in den Schmutz gezogen wird, die Ehre Deutschlands? Nennen Sie es Hochverrat sich dagegen zur wehr zu setzen? Ist das Hochverrat?
Daraufhin der Offizier: „Ich habe einen Fahneneid geschworen, an den halte ich mich!“
Erneut Stauffenberg: „Einen Fahneneid. Auf wen? Auf einen Mann, der seinen Fahneneid hundertfach gebrochen hat. Oder hat er seinen Eid auf die Verfassung gehalten? Hat er seiner Treuepflicht genügt?“
Stauffenberg rechtfertigt seine Tat hier eindeutig mit der patriotischen Pflicht einem besseren Deutschland gegenüber (das in der Gestalt der BRD dann ja auch kommt). Geschickt wird das Wissen der Nachgeborenen um den tatsächlichen Geschichtsverlauf dazu benutzt, den Widerstand zu legitimieren. Auf die gleiche Weise wird dem Hochverratsvorwurf begegnet: Hitler war es, der – als Hauptverantwortlicher für die nationale Katastrophe Deutschlands – den „Eid hundertfach gebrochen“ hat. Der Führer selbst, so die logische Schlussfolgerung, ist ein Hochverräter, demgegenüber die Gehorsamspflicht natürlich nicht mehr gelten kann. Stauffenberg ist somit kein „Eidbrecher“, sondern ein „Eidwahrer“, der den Eid seinem Vaterland gegenüber gerade dadurch erfüllt, dass er dem Verbrecher, dem es in die Hände gefallen ist, den Gehorsam verweigert.

Diese ganze Rechtfertigungsargumentation baut damit im wesentlichen auf das Wissen des Zuschauers um den Ausgang des Krieges. Auf die Thematisierung von – für den echten Stauffenberg durchaus zentralen – moralischen, ethischen und religiösen Motiven im Zusammenhang mit der Verurteilung des NS-Regimes, wird völlig verzichtet. Die Beschränkung auf das Motiv der Niederlage Deutschlands diente wohl vor allem dazu, den Zuschauer der 50er Jahre zu beruhigen, der diese Entwicklung ja nicht zwangsläufig hat vorhersehen können. Bei der Nennung ethisch-religiöser Motive hätten sich wohlmöglich viele mit de unausgesprochenen Vorwurf konfrontiert gesehen, selbst keinen Widerstand geleistet zu haben.

Auch die Würdigung der Tat vom 20. Juli erfolgt schließlich aus einer gegenwartsorientierten Perspektive, der Zuschauer soll den sinnstiftenden Wert des Attentats für das Selbstverständnis der Bundesrepublik erkennen. Gleich zu Beginn des Films meint Generaloberst Beck auf die Frage, ob bei einem Misslinge des Attentats alles umsonst wäre: „Nein. Und wenn wir nur den Weg zur Umkehr zeigen, Vielleicht werden andere den Weg weitergehen.“ Die Existenz des neuen demokratischen deutschen Staates bestätigt diese Vorhersage. Das Opfer der Widerständler für eine bessere Zukunft war also nicht umsonst! De Geschichtsverlauf erscheint damit als ein aus de Geiste der Nachgeborenen interpretierter Schicksalsverlauf. Dies verklärt nicht nur die widerständischen Militärs zu „Vätern der westdeutschen Demokratie“, sondern suggeriert darüber hinaus das historische falsche Bild von einer im demokratischen Geist geprägten Wehrmacht.

Es geschah am 20. Juli
war ein finanzieller Misserfolg. Das mag zum Teil am etwas hölzernen Spiel des Hauptdarstellers Bernhard Wicki (der als Regisseur mit Die Brücke nur wenig später einen der größten Erfolge im selben Genre feiern sollte) gelegen haben, zum Teil sicherlich auch an G.W. Papsts kühler Regie (der Film ist mehr nüchterner Dokumentar- denn dramatischer Spielfilm). Als zentraler Grund scheint allerdings weit mehr die umstrittene Thematik des militärischen Widerstands und der Plan einer Beseitigung Hitlers für die Ablehnung des Publikums verantwortlich gewesen zu sein. Anders als in den beinahe zeitgleich entstandenen Kassenschlagern Canaris und Des Teufels General konnte dem brisanten Thema von Hoch- und Landesverrat natürlich nicht ausgewichen werden.

Es geschah am 20. Juli
ist letztlich weit mehr Dokument seiner Entstehungszeit als historisch korrekte Aufarbeitung der Geschehnisse um das Attentat auf Hitler. Zwar werden Ablauf und Details des Umsturzversuchs im Großen und Ganzen faktengetreu widergegeben, Motivation und moralisches Dilemma der beteiligten Verschwörer bleiben aber seltsam diffus. Der Gewissenskonflikt vieler aufständischen Offiziere, das Zerrissensein zwischen der Erkenntnis, einem verbrecherischen System zu dienen und der Überzeugung, an traditionellen Werten, wie Eidgebundenheit, Treue- und Gehorsamspflicht, festhalten zu müssen, bleibt vielmehr weitestgehend im Dunkeln. Dass diese geschickte Entschärfung der Widerstandsthematik dem Film nicht zum Erfolg verhelfen konnte, zeigt deutlich wie umstritten die Männer des 20. Juli auch noch Mitte der 50er Jahre waren.

(6/10 Punkten)
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