„Back to the 80s, Back to Pandora, Back to Stardom“ oder „Mit Überschall aus dem Pandemie-Sumpf“ – Das Filmjahr 2022

Die wichtigste Nachricht zuerst: Das Kinojahr 2022 konnte endlich mal wieder als ein solches bezeichnet werden. Und damit ist nicht einmal die außerordentliche Qualität in der Breite gemeint, sondern schlicht die Tatsache, dass nach zwei Jahren pandemischen Verwüstungen endlich wieder vermehrt der Weg in die Leinwandoasen gesucht und gefunden wurde. Natürlich konnte sich bei weitem nicht jeder dazu aufraffen, aus seiner schönen neuen Streaming-Welt aufzubrechen um neue Filmabenteuer dort zu entdecken, wo sie ursprünglich herkamen und hin gehören. Aber der Weckruf war nicht zu überhören, schließlich kam er mit Mach 10 daher. 

Dass ausgerechnet das Sequel zu einem der zeitgeistigsten Superhits der Filmgeschichte die Branche so richtig durchrütteln würde, war kaum zu erwarten gewesen und gehört zur besonderen Magie des Mediums. Gut, wenn einer die personifizierte Kinoleidenschaft verkörpert, dann Tom Cruise. Der Mann stieg nicht nur mit fast 60 in einen Kampfjet, sondern motivierte auch noch seinen gesamten Cocast es ihm gleich zu tun, schließlich sollte der Zuschauer echten Schweiß, echtes Adrenalin und echtes Draufgängertum hautnah spüren. 

Die geballte Superheldengilde bestehend aus Ritter, Adam, Panther, Zauberer und Donnergott sah dagegen steinalt aus, mit ihrer vornehmlich aus dem Computer stammenden Comic-Akrobatik beziehungsweise ihren offenkundigen Greenscreen-Turnereien. Vor allem weil sie ein anderer Kinomagier aus den nach wie vor omnipräsenten 80er Jahren auf ihrem ureigenen Feld ebenfalls mit Vollspeed abhängte. Zwar brauchte James Cameron nicht 36 Jahre für sein spätes Sequel, aber auch derer 13 sind in der Welt der bewegten Bilder eine Ewigkeit. Um so verblüffender – und für die Konkurrenz peinlicher – dann das Ergebnis. Effekte, Optik und Kameratechnik lassen die unmittelbar vorher gestarteten Rivalen von Marvel und DC wie Rohfassungen eines Atari-Spiels aussehen. 

Natürlich kamen nicht alle Fortsetzungen auf der Überholspur daher. Vornamen sind für gewöhnlich knackiger als Nachnamen, das hätte man eigentlich wissen sollen. Auch der Gedanke die beste Agatha Christie-Verfilmung mit nebenbei auch noch dem besten Poirot-Darsteller toppen zu können, war doch sehr ambitioniert. Gleiches gilt für das Ansinnen den Charismatiker Chadwick Boseman durch ein Nebenfiguren-Ensemble ersetzen zu können, wenn auch die tragischen Umstände wenig Anderes zuließen. Diese Ausrede können die Macher um die genmanipulierten und Vergnügungspark-süchtigen Dinosaurier nicht vorbringen, zumindest hat uns das Wiedersehen mit sämtlichen Urechsen-Dompteuren der Filmreihe ein wenig mit dem schwarzen Loch versöhnt, in dem Plot, Dramaturgie und Spannung verloren gegangen waren.

Und schließlich gab es da noch das Ende eines gewissen Michael Myers, längst überfällig sagen die einen, völlig unnötig die anderen, zufrieden war dann dennoch keiner so richtig. Im Horrorgenre ist man ja an ständige Wiederauferstehung gewöhnt und keiner hat das so schön zelebriert und meta-phrasiert wie Wes Craven. Dass der fünfte Schrei aus dutzenden jugendlichen Kehlen erneut durch Mark und Bein ging, ist da fast schon konsequent und hätte dem verstorbenen Meister ganz sicher ein wohliges Lächeln entlockt. Die Symbiose aus Horror und Humor spielt auch im noch jungen Oeuvre Jordan Peeels eine wichtige Rolle, wenn auch auf subtilere und doppelbödigere Art. Vor allem aber unterläuft er mit diebischer Freude gängige Erwartungshaltungen und ist ganz nebenbei auch noch ein versierter Kenner der Filmgeschichte.

Diese war auch immer eine ihrer Stars. In den letzten 20 Jahren ist diese Gesetzmäßigkeit deutlich ins Trudeln geraten und musste sich immer heftigeren Frontalangriffen ganzer Franchise-Armeen erwehren. Aber auch wenn die beherzten Vorstöße einer Handvoll (früherer) Leinwandikonen- u.a. Tom im Cockpit, Sandra und Brad zuerst im Dschungel und dann im Zug sowie Nicolas im Talent-Olymp – wie die Nadelstiche von ein paar Rebellen gegen eine imperiale Übermacht daher kommen, so wissen wir doch alle, wer im Finale zu John Williams Fanfaren feiert. In diesem Sinne: cinema lives.

P.S.: Für Freunde der Listen das Kino (und Filmjahr) in Noten und Tempi, von Bruchlandung bis Höhenflug.

Die Flop 7

Bummelzug (5/10)

6. Jurassic World (Familientreffen ohne Spannung(en) = belanglos)

5. Black Panther (Familientreffen ohne Oberhaupt = konturlos)

4. The Northman ((Familien-)Rituale im Arthouse-Sumpf = freudlos)

Schlafwagen (4/10)

3. Black Adam (Plothumbug und Pixel-Nabelschau = hanebüchen)

2. Im Westen nichts Neues (Kunst(fehl)kniffe und Holzhammer = ärgerlich)

1. Doctor Strange (Universumswirrwar und Pixelnabelschau die Zweite = lärmig)

Die Top 20

Reisegeschwindigkeit 6/10)

20. Tod auf dem Nil (besser als befürchtet)

19. Halloween Ends (besser als behauptet)

18. Der Nachname (besser als besprochen)

17. Uncharted (besser als erwartet)

16. Minions – Auf der Suche nach dem Miniboss (immer noch besser als die Konkurrenz)

Flott (7/10)

15. The Gray Man (laut, laute laut, Ryan als Krawumm-King)

14. The lost city (abenteuerlich, altmodisch, sympathisch, Sandar als Indiana-Queen)

13. Glass Onion (grell, stylish, komisch, Daniel als Ermittler-King)

12. Thor – Love and Thunder (grell, bunt, rotzig, Chris als Superhelden-King)

11. The Batman (düster, rockig, Robert als Fledermaus-King)

10. Violent Night (Santa goes Die hard, David als Christmas-King)

9. Massive talent (launig, meta, gaga, Nic als Cage-King)

8. Elvis (fetzig, rockig, bunt, Austin als Der King)

Überschall (8/10)

7. Scream (5) (meta, selbstreferentiell, punktgenau = Melissa als Scream-Queen)

6. Nope (abgründig, ehrfürchtig, sonderbar, Jordan als Wundertüten-King)

5. Bullet Train (witzig, brutal, Gaspedal, Brad als Schienen-King)

4. Prey (archaisch, packend, rigoros, Amber als Predator-Queen)

3. Avatar: The Way of Water (Kinomagie die Zweite, James als Spektakel-King)

Mach 9 (9,5/10)

2. Die Klapperschlange (Wiederaufführung, aber was für eine, John Carpenter als Minimalismus-King)

Mach 10 (10/10)

1. Top Gun Maverick (Kinomagie, Adrenalinkick, Wow-Dauerfeuer, Tom als Kino-King)

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