Halloween (2018)

„Schrecken mit Ansage“

Mit dem Schrecken auf der großen Leinwand ist es so eine Sache. Obwohl sich das Horrorgenre inzwischen seit Jahren in seinem x-ten Frühling sonnt, so richtig Bahnbrechendes oder genuin Originelles will ihm einfach nicht mehr gelingen. Die wahren Meister des Terrors sind nach wie vor an einer Hand abzuzählen, an einer recht zittrigen noch dazu, da doch arg betagten. Der gute Alfred Hitchcock steht hier immer noch ganz weit vorn, aber auch George A. Romero und selbst Wes Craven sind nicht gerade taufrisch.

Zu diesem illustren Greisen-Kreis zählt ganz sicher auch John Carpenter. Der Urvater des Slasher-Subgenres ist gerade wieder mal en vogue und das keineswegs nur wegen seiner erfolgreichen Soundtrack-Tournee. Remakes seiner größten Hits (u.a. „Aussault on Precinct 13″, „The Fog“, „Escape from New York“, „The Thing“) sind etweder bereits abgedreht, werden gerade entwickelt, oder sollen zeitnah in Planung gehen. Da trifft es sich bestens, dass Hollywood ohnehin in Gänze dem Reboot-Fieber verfallen scheint, denn der gute John hat dank seiner ökonomischen Herangehensweise ein recht umfangreiches Frühwerk vorzuweisen, das gradezu nach Recycling schreit.

Ganz oben auf der Liste steht dabei Carpenters Horror-Coup „Halloween“. Der Slasher um den maskierten Killer Michael Myers ist nicht nur ein kultisch verehrter Genreklassiker, sondern einer der wenigen Filme, die stilbildend für Generationen von Epiogonen war und immer noch ist. 7 Fortsetzungen in erkennbar abnehmender Qualität und Rob Zombies gorelastiges Remake-Doppel konnten dem Glanz des Originals nichts anhaben, sondern befeuerten seinen Mythos noch zusätzlich. Die Gefahr bei einem erneuten Aufwärmen des Stoffs war also vergleichsweise gering, zumal das simple Grundgerüst keinerlei finanzielles Risiko erfordert.

Mit John Carpenter als ausführendem Produzenten und inhaltlichem Berater atmet der 10. Halloween-Nachklapp immerhin so etwas wie Gründervater-Luft und nährt die Hoffung auf das erste würdige Sequel zum ikonischen Original. Die 2018er-Version sollte dann auch kein simples Reboot oder gar ein einfallsloses Remake werden, sondern man sprach etwas großspurig von Rekallibrierung und unbedingter Origin-Treue. Dazu hieß es natürlich den gesamten Fortsetzungskanon zu ignorieren und direkt an Carpenters Urfilm anzuschließen.

Michael Myers wird also kurz nach dem Mord an seiner Schwester verhaftet und in eine Nervenheilanstalt eingeliefert, in der er die nächsten 40 Jahre verbringt. Die gerade noch Überlebende Laurie Strode (Jamie Lee Curtis) leidet derzeit unter posttraumatischem Stress und bereitet sich akribisch auf Michaels mögliche Rückkehr vor. Diese Paranoia ist Gift für ihr familiäres Umfeld, rechfertigt sich aber letzlich durch Myers Ausbruch und seine Rückkehr nach Haddonfield, exakt 40 Jahre nach der ominösen Halloween-Nacht. Ein blutiger Albtraum nicht nur für Laurie, sondern für die gesamte Klienstadt …

Halloween anno 2018 hat in den USA am ersten Wochenende kanpp 80 Millionen Dollar in die Kassen gespült. Der Riecher der Macher war also goldrichtig, zeigt aber auch, dass es heutzutage nur wenig braucht, um im Horrorgenre punkten zu können. Man nehme eine kultige Marke, verpasse ihr eine moderne Inszenierung und bleibe ansonsten möglichst nah am berühmten Original. Ja, denn trotz großer Ankündigungen ist das 10. Sequel eine kaum kaschierte Neuauflage des Carpenter Films von 1978. Zunächst lernen wir das zu terrorisierende Personal etwas kennnen, tauchen ein wenig in die beschauliche Kleinstadtidylle ein, die dann durch den maskierten Psychopathen Myers in ein Schlachthaus verwandelt wird. Dramaturgie, Tempo und Setting sind praktisch 1:1 übernommen, was erkennbar zu Lasten von Spannung und Grusel geht. Man hat das schlicht ein zwei mal zu häufig gesehen, zumal eine ironische Brechung oder gewitzte posmodernistische Neuinterpretation wie in Wes Cravens kongenialer Scream-Quadrologie nirgends erkennbar ist. Statt dessen arbeitet Regisseur David Gordon Green versiert aber humorlos die Checkliste des Slasher-Einmaleins ab und dreht lediglich an der Brutalitätsschraube. So gibt es explizitere und auch deutlich mehr Morde zu sehen.

Zu gute halten muss man dem Film sein Gespür für Atmosphäre und Struktur des Genres. In dunklen Novembernächten, zumal im Umfeld der weltweit zunehmenden Bedeutung des Halloween-„Feiertags“, sorgt der aktuelle Ableger für angenehmen Grusel, quais als Einstimmung für die diversen anstehenden Festivitäten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Schön sind vor allem die zahlreichen, teils liebevoll eingebauten, teils gewitzt variierten Anspielungen auf den Originalfilm (Schauplätze, Szenen, Dialoge) und die ersten beiden Sequels. Allerdings dürfte dieser sympathisch nerdige Fanservice am Gros des Publikums relativ undekodiert vorbei huschen.
Auch der Cast verspricht mehr, als das zu formelhafte Skript letztlich zu bieten hat. Jamie Lee Curtis ist als traumatisierte Kämferin noch die interessanteste Figur, wird aber zu sehr auf ihre Rächereigenschaften reduziert. Will Patton als Sheriff Frank Hawkins und Zeitzeuge der 1978er Morde bleibt ebenfalls auf sein aktuelles Reagieren begrenzt. Auch Haluk Bilginer als Michaels Psychater kommt nicht über ein paar Platitüden-Bonmots hinaus. Und Michael Myers? Der Kult-Killer bleibt dieselbe Figur wie im Original, dessen emotions-, wort- und teilnahmsloses Morden durch die vielen Nachfolger und Imitationen spürbar an düsterer Faszination eingebüßt hat. Zumindest auf den Altmeister ist nach wie vor zu 100% Verlass. John Carpenters Neuinterpreation seines genialen Synthsoundtracks sorgt auch noch 40 Jahre später für wohlige Gänsehaut. Aber dafür hätte es keinen neuen Film gebraucht, schließlich ist er gerade auf Konzert-Tour.

___________________________________________

(Rating: 6,5 / 10)

Gesehen im cinemaxx Augsburg, Oct. 21 2018

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert